Erwartungen

Die beiden Texte scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. In der Geschichte aus dem 1. Samuelbuch erfahren wir von der schwankenden Stimmung des Königs Saul, der unberechenbar zu sein scheint. So schwankend wie er ist dann auch unser Bild von ihm. Mal stößt er uns ab, dann wieder tut er uns leid.

Mal erkennen wir in ihm einen unberechenbaren Tyrannen, dann wieder einen Kranken. Doch was wir in der Geschichte hören sind eben letztlich auch die Erfahrungen, die wir selber vielleicht schon einmal gemacht haben. Saul ist ein Herrscher, der auch gern als solcher wahrgenommen und verehrt werden möchte. Ihm soll gehuldigt werden und es sollte nicht zu wenig Lob sein.

Oft genügt uns das Lob, welches wir bekommen auch nicht und wir möchten mehr. Ganz besonders dann, wenn wir sehen, dass andere mehr gelobt werden, scheinbar mehr geliebt werden als wir.

Dann rechnen wir schnell nach, was wir bekommen haben und was der andere bekommen hat und die 1.000 die uns zugerechnet werden sind uns plötzlich viel zu wenig, denn dem anderen hat man 10.000 zugestanden.

Statt zufrieden zu sein mit dem, was man hat, glücklich zu sein über den Erfolg, dankbar zu sein, wird Lob und Erfolg plötzlich klein im Blick auf das, was der andere hat und ihm auch meistens nach unserer Meinung gar nicht zusteht.

Letztlich ist dies das Problem, das Saul mit David hat, denn eigentlich mag er ihn und es gefällt ihm, wenn David ihm etwas vorspielt, ein ganz anderes. Es wurmt ihn einfach nur, dass David in diesem Moment erfolgreicher zu sein scheint, als er selbst und das geht gar nicht. Wer, wenn nicht dem König steht der huldvolle Lobpreis zu? Und so geschieht das, wie schon gesagt, was uns auch nur allzu oft passiert, er wird neidisch.

Und was hat das mit dem Evangelium zu tun? Auch die neutestamentlichen Szenen erzählen von einem Herrscher und von den Hoffnungen, die die Menschen mit ihm verbinden. Die Leute sind regelrecht hinter ihm her und so drohen die Massen ihn regelrecht zu erdrücken, er muss sich in Sicherheit bringen auf ein Boot und etwas aufs Wasser fahren, um die nötige Distanz wahren zu können, denn die Leute sind verrückt nach ihm, das heißt genau genommen nach dem, was er kann. Sie haben eine hohe Erwartungshaltung, sie erwarten Wunderdinge von ihm.  

Aber Jesus ist eben ganz anders, er drängt sich den Leuten nicht auf und er will auch gar keinen Trubel um sich herum und man könnte fast sagen, er scheut ein wenig die Öffentlichkeit. Oft sicher aus gutem Grund, denn da gab es ja schon die eine oder andere unangenehme Begegnung mit den Pharisäern, aber vor allem, weil er nicht als ein Wunderdoktor verehrt werden will, ihm geht es um viel mehr.

Denn er weiß, dass er allzu leicht missverstanden und dann zum Objekt politischer Kämpfe werden kann. Altes und Neues Testament, Samuel und Markus, erzählen von den zwei Wirklichkeiten, in denen wir leben. Die eine ist durch die andere nicht ersetzbar, eine in die andere nicht überführbar. Jesus wäre vielleicht auf Erden kein besserer Herrscher gewesen als andere. Aber er ist eben ein König anderer Art und der Mensch gewordene Ausdruck dafür, dass irdische Herrschaft immer vorläufig und unvollkommen ist und dass unsere Hoffnung auf perfekte politische Verhältnisse immer wieder enttäuscht wird.

Herrscher wie Saul sind eben nur Menschen, mit allen Vorzügen und Schwächen, die wir so haben. Gefährlich wird es immer dann, wenn die negativen Seiten eines Herrschers überwiegen oder sich besonders hervordrängen, dann wird das irdische Leben schnell unerträglich, wenn Willkür, Hass und Neid regieren, wie wir es von Saul hören können.

Vielleicht sind auch deshalb die Erwartungen der Menschen in Jesus so groß, aber bei den Menschen seiner Zeit, da sind auch ihm die Hände gebunden. Sicher, er ist Gottes Sohn und könnte letztlich alles, aber das war ja nie Ziel oder Absicht Gottes. Jesus schickt er nicht als Ordnungspolizist, er soll die Menschen dazu ermutigen ihr Leben zu ändern, damit die Verhältnisse gut werden.

Jesus hilft dem Einzelnen, er hilft ihnen auf, heilt sie, ermutigt sie, aber Krankheit Leid und Tod kann er nicht mit einen Fingerschnipsen beseitigen, die politischen Verhältnisse nicht von heute auf morgen verändern, er will das, was Menschen seit 2000 Jahren erstreben, wenn sie Jesus nachzufolgen versuchen, dass sie ihr Leben ändern und damit die Umstände.

In einem Film habe ich mal das schöne Zitat gehört: „Einfach mehr sein und weniger tun!“, das meint nicht die Hände in den Schoß zu legen oder faul zu sein, sondern es meint sich selbst zu ändern.

Wie oft haben Menschen schon versucht die Welt zu verändern, mit Erfindungen oder Revolutionen? Am Ende was es schlimmer als vorher oder zumindest auch nicht besser oder leichter. Aber da, wo Menschen zueinander gefunden haben, verständnisvoll waren, dem anderen die Luft zu atmen gönnten und ohne Neid oder Missgunst dem Nächsten seinen Erfolg gönnten, ja ihn unterstützten, da ist schon Großes geworden.

Natürlich hätte ich gern auch eine „1“ in der Klassenarbeit, aber vielleicht ist ja meine „3“ viel mehr wert als die „1“ des anderen und deshalb kann ich mich über seinen Erfolg genauso freuen, wie über mein bescheidenes, aber erfolgreiches Ergebnis. Wenn wir das schaffen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Das ist so, als ob wir uns zu Jesus ins Boot setzen, statt in der Masse zu drängeln, ohne zu wissen wohin und wofür.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Pfr.i.E. Kay Lohse