Worin die Kraft des Hl. Geistes besteht

Pfingsten ist das Hochfest des Heiligen Geistes. „Geist“ meint im christlichen Zusammenhang nicht „Gespenst“ oder „Erscheinung“. Er hat nichts mit Grusel oder Geisterbahn zu tun. Wenn wir sagen: „Hier herrscht ein guter Geist“, oder „das war ein geistreicher Einfall“, dann beschreibt das vielleicht ein bisschen, was wir mit „Heiligem Geist“ meinen.

 
 

In der Bibel taucht der Geist Gottes gleich ganz am Anfang auf. Schlägt man das dicke Buch auf, und beginnt ganz vorne zu lesen, steht da: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war wüst und öde, … und Gottes Geist schwebte über der Urflut.“ Also gleich im 2.Satz der ganzen Bibel! Und dieser Text ist in Hebräisch geschrieben. Und das Wort „ruach“, das wir mit „Geist“ übersetzen, ist vom grammatikalischen Geschlecht ein feminines Wort. Um das auch in der deutschen Übersetzung auszudrücken, wird dann manchmal „die Geist-kraft“ gesagt.

Lasst uns mal ein bisschen darüber nachdenken, worin diese Kraft des Geistes besteht.

Comic-Helden haben Superkräfte: Superman kann fliegen und ist fast unverwundbar, Spiderman kann sich von Wand zu Wand hangeln wie eine Spinne, Asterix und Obelix sind dank des Zaubertranks unbesiegbar stark. Im Text der Apostelgeschichte, den wir gerade gehört haben, wirkt der Heilige Geist auch fast wie eine Superkraft.

Die Jüngerinnen und Jünger sind nach Jesu Kreuzestod und Auferstehung vorzugsweise unter sich geblieben. Immerhin: ihr Anführer wurde hingerichtet, das haben alle gesehen. Gelegentlich ist er zwar danach einigen erschienen, aber immer nur kurz. Und oft haben sie ihn auch nicht gleich erkannt. Also verharren Petrus, Johannes und die anderen lieber hinter verschlossenen Türen. Sie haben Angst oder wissen nicht so recht, wie sie Jesu Werk fortsetzen sollen. Immerhin trafen sie sich weiterhin. Und nachdem sie aber an Pfingsten den Heiligen Geist empfangen, werden sie in höchstem Maße aktiv. Eine Be-geist-erung packt sie. Es hält sie nix mehr im Haus. Sie verlassen ihren geschützten Raum und gehen zu den Menschen. Sie sprechen zu Außenstehenden von Jesus, was sie alles mit ihm erlebt haben, und von seiner Bedeutung für die Welt.

Neben dem neuen Mut verleiht ihnen der Geist aber auch kommunikative Superkräfte, denn auch Menschen mit anderen Muttersprachen können sie verstehen. Zu dieser Sendung des „Geistes als Superkraft“ passt auch, dass der Heilige Geist in der Apostelgeschichte quasi wie eine Naturgewalt auf die Jünger herabkommt, mit Sturmesgebraus und in Zungen wie von Feuer.

Ein anderes Bild von der Geistsendung zeichnet der Evangelist Johannes. Hier ist es ein Hauch des auferstandenen Jesus, mit dem der Geist zu den Jüngern kommt. Dieser Geist ist keine spektakuläre Superkraft. Er kommt nicht mit Feuer und Sturm. Und er bewirkt kein Sprachenwunder. Er befähigt die Jünger »nur«, ein gestörtes Gottesverhältnis wieder in Ordnung zu bringen. So könnte man vielleicht das »Sündenvergeben« ins Heute übersetzen. Hier vermittelt der Geist dann eher einen soft skill, wie man neudeutsch sagen würde, also keine aufsehenerregende Wundermacht, sondern eher eine soziale Fähigkeit. In seinen Abschiedsreden hat Jesus diesen Geist als „Beistand“ oder „Tröster“ angekündigt. Es geht um einen Geist, der mir bei Schwierigkeiten zur Seite steht.

Es gibt Situationen, da bete ich um den Superkraft-Geist aus der Apostelgeschichte. Das ist immer dann der Fall, wenn ich weiß, dass sich etwas zum Positiven verändern lässt und mir dazu nur der Mut, die zündende Idee, die Ausdauer oder ähnliches fehlt. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass ich ein schwieriges Gespräch führen muss. Oder wenn ich merke, dass eine Sache nicht mehr gut wird und beendet werden muss, ohne dass schon jede und jeder Beteiligte das einsieht. Oder wenn ich spüre, dass nur meine Trägheit mich am Loslegen hindert. Dann erbitte ich den Geist, der mit Feuer und Sturm daherkommt und mich aus meinem Sessel heraustreten lässt wie die Apostel an Pfingsten. Und der mir die richtigen Worte in den Mund legt, damit mein Anliegen auch wirklich verstanden wird.

Es gibt aber auch die anderen Situationen, wo ich weiß, dass etwas nicht mehr gut werden kann; dass es gilt, etwas auszuhalten und zu ertragen, was nicht zu ändern ist. Dann erbitte ich den Beistand-Geist. Er soll mir helfen, mich mit der gegebenen Situation auszusöhnen. Er spende mir den Trost, den es braucht, um eine missliche Lage anzunehmen. Vielleicht habe ich eine Diagnose von einem Arzt bekommen, bei der es keine Therapie gibt. Oder es ist jemand gestorben, der mir nahegestanden hat. Oder ich muss einsehen, dass ich mit meinen Kräften eine negative Entwicklung nicht aufhalten kann. Oder ich habe eine Schuld auf mich geladen, die ich nicht mehr gut machen kann. Dann erbitte ich den Tröster-Geist, der sanft wie ein Hauch daherkommt und mir hilft, mit und in dieser unvollkommenen Welt als unvollkommenes Wesen zu leben. Auch der Beistand-Geist verändert dann noch etwas - nämlich mich. Er bewahrt mich vor der Verzweiflung. Er gibt mir die Kraft, weiterzuleben. Er hilft mir, die Situation anzunehmen, wie sie nun mal unabänderlicher Weise ist. Er eröffnet mir die Möglichkeit, mir und der Welt zu vergeben, oder auf Vergebung zu Hoffen.

Ich kann also um verschiedene Kräfte des Geistes beten: um den Geist, der mich aktiviert einerseits, und den Geist, der mir zu akzeptieren hilft andererseits. Um zu wissen, welche Kraft des Geistes ich gerade brauche, ist eine weitere Kraft des Geistes nützlich: die Gabe der Unterscheidung. Neben dem Gebet um die Gabe der Unterscheidung gibt es auch einige erprobte Wege, wie ich zu dieser Erkenntnis der Situation kommen kann: Ich spreche mit jemanden, dessen Urteil ich vertraue und der sowohl mich kennt als auch über die Situation etwas weiß. Oder ich suche das Gespräch gerade mit jemandem, der ganz von außen draufschauen kann und nicht betriebsblind ist. Und ich befrage sowohl mein »Hirn« nach den Gründen FÜR und WIDER als auch mein Herz nach meinem Gefühl, was die Sache betrifft. Und wenn möglich, gebe ich mir ausreichend Zeit.

Ein Gebet, das dem Heiligen Franziskus zugeschrieben wird, kannst du vielleicht auch ab und zu ehrlichen Herzens sprechen:

Gott, gib mir Mut und Kraft, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.

Gib mir Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.

Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu Unterscheiden.

Amen.

Pater Michael Stutzig SDB