Gemeinsamkeiten in den Verschiedenheiten entdecken

Abraham heißt auf Arabisch: Ibrahim. Im Islam gilt er als der Stammvater des Monotheismus und als der erste Gläubige. Vertrauter und Freund Gottes wird er auch genannt und mit der Magd seiner Frau Sarah, mit Hagar oder wie es arabisch wieder heißt Hachar, hat er praktisch einen unehelichen Sohn, Ismael, von dem wiederum Mohammed abstammen soll.

Nicht nur Abraham selbst wird von Juden, Christen und Muslimen verehrt, auch sein Grab in Hebron gilt allen drei Religionen als heiliger Ort.

Eine Steilvorlage des Dialogs, der Verständigung der Religionen hat uns hier Gott angeboten, jedenfalls könnte man das denken.

Aber wie das so ist mit Orten, Personen oder Ereignissen, die als potentiell einheitsstiftend gelten könnten, Menschen schaffen es immer wieder, das, was zur Einheit dienen könnte, zum Zankapfel werden zu lassen.

Im Mittelalter gab es mal eine Zeit, da haben sich die drei großen Religionen, zumindest auf akademischem Gebiet, recht gut verstanden und so sollen wohl sogar Juden als auch Christen und Muslime nach Hebron gepilgert sein. Dann aber bauten die christlichen Kreuzfahrer über dem Grab eine große Kathedrale. Später dann, unter islamischer Vorherrschaft, die militärische Übermacht der Christen währte ja nicht allzu lang, war es Juden und Christen verboten, diesen Heiligen Ort auch nur zu betreten.

Im 20. Jahrhundert kam es dort zu Massakern, mal an Juden, mal an Arabern. Das Grab Abrahams stand zunächst unter dem Schutz britischer Soldaten, heute wird es islamisch verwaltet, aber von der  Zva ha-Hagannah lə-Jisraʾel, der israelischen Armee bewacht.

Was ist aus dieser Zusage geworden, dass Abraham Vater vieler Völker wird und Gott der Gott seiner Nachkommen werden wollte?

Jede der Religionen nimmt Abraham als Stammvater und Gott als seinen Gott für sich in Anspruch und zugleich kämpfen sie gegeneinander. Sie tun dies aus ganz unterschiedlichen Beweggründen. In Israel hat es andere Ursachen, als in Afghanistan und Islamisten überall auf der Welt haben gegen alle und jeden etwas und sind dabei genauso intolerant, wie orthodoxe Juden oder fundamentalistische Christen.

Keiner von ihnen darf mit dem Finger auf den anderen zeigen, denn keiner ist ohne Schuld. Keiner so, wie es in ihren jeweiligen Schiften steht und schon gar nicht friedlich und menschenfreundlich, sondern jeder meint, dem anderen die Luft nicht zum Atmen gönnen zu können, weil er ja eine andere und nicht die eigene Wahrheit vertritt und genau die ist aber die einzig richtige.

Aber was ist die Wahrheit, die richtige Wahrheit. Wenn ich jetzt mit der großen Keule komme und sage, dass es Jesus ist, habe ich auch nur wieder Unfrieden gesät, denn die Juden erkennen in Jesus nicht den Messias und für die Muslime ist er nur einer der Propheten, was hätte ich da gewonnen?

Jesus sagt aber etwas, was man durchaus aus der neutralen Ecke sich einmal anschauen kann, denn er verkündet nicht irgendeine oder seine eigene Weisheit, sondern verweist auf Gott selbst.

Er sagt, dass seine Zuhörer Gott für sich in Anspruch nehmen, ihn aber noch nicht einmal kennen. Und auch wenn das hier an die Juden geht, könnten wir es genauso für Muslime oder Christen sagen.

Jede der Religionen nimmt für sich in Anspruch die richtige zu sein und vergisst darüber das Geschwisterliche.

Ich werde dich zum Vater vieler Völker machen und ich werde ihr Gott sein, diese Zusage hat jeder für sich exklusiv verstanden. Klar streiten sich auch mal Geschwister und das ist gut so, diese ständige Friede-, Freude-, Eierkuchen-Mentalität kann ja keiner auf Dauer ertragen, aber muss das Ganze in Hass und Mord und Totschlag ausarten, bedeutet es immer gleich den Weltuntergang, wenn der andere mal eine Sache anders sieht?

Die Muslime sagen Hachar und die Christen und Juden sagen Hagar, aber es bleibt die gleiche Frau. Die Juden sagen Herr, Ha_Schem, die Christen einfach Gott und die Muslime Allah, was nichts anderes als Gott bedeutet, ein Gott, nur drei Namen. Das wäre als ob sich deutsche mit französischen, spanischen und russischen Christen darüber streiten würden, wer den richtigen Gott verehrt ob es nun Gott, Dieu, Dios oder Boch ist.

Namen sind Schall und Rauch sagt eine alte Weisheit, entscheidend ist das, was dahintersteht.

Der richtige Weg wäre doch in der Verschiedenheit die Gemeinsamkeiten zu entdecken und zu merken, dass sich die Religionen in viel mehr gleichen, als nur am gemeinsamen Ort des Grabes Abrahams, wo ein Grab in einer christlichen Kirche, in einem muslimischen Viertel von jüdischen Soldaten bewacht wird. Und  das geht meistens einigermaßen friedlich, aber meistens reicht nicht, wenn Jesus sagt: “Er ist unser Gott, aber ihr kennt ihn nicht einmal“, dann ist das für mich der Warnruf einmal nachzusehen ob der Gott, dem ich nachlaufe und so gern gegen andere zitiere, ob der Gott noch der richtige ist oder nur noch der, den ich mir selbst zurecht gebastelt habe?

Es gibt eine ziemlich skurrile Karikatur, auf der sieht man zwei Armeen gegeneinander kämpfen und jede Partei ruft in der Schlacht gen Himmel: „Herr, töte die Ungläubigen“ und Gott schaut ganz verzweifelt aus einer Wolke nach unten und fragt: „Ja, wen den nun?“

Natürlich glauben wir das Richtige zu tun, aber vielleicht liegen die anderen nicht ganz so falsch, wie wir manchmal denken, eines steht aber auf jeden Fall fest, wenn wir weniger gegeneinander und mehr miteinander tun, dann erfüllen wir Gottes Willen viel eher und die Zusagen an Abraham, dass aus ihm viele Völker entstehen sollen, wird wieder zu einer fruchtbaren Verheißung. Dann kennen und erkennen wir auch wieder Gott, wie es sich Jesus von uns wünscht und sehen, dass er die Welt in Vielfalt geschaffen hat, so unterschiedlich wie wir sind.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist, denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfr.i.E. Kay Lohse

(Es gilt das gesprochene Wort!)