Wenn man älter wird, dann wird man nicht nur vermeintlich weiser, sondern man wird auch ein ganzes Stückchen bequemer. Und das hat zur Folge, dass man sich die Dinge manchmal passend macht oder einfach den leichteren Weg nimmt, weil man eben schon weiß, dass es auch anders geht oder man vielleicht den beschwerlichen Weg schon einmal gegangen ist und so auch die Abkürzungen kennt.
Aber wir wissen alle auch, dass der kürzere oder bequemere Weg eben nicht der bessere oder richtigere Weg ist. Vielmehr betrügen wir uns ein ganzes Stück weit selbst und damit machen wir uns die Dinge passend, stellen uns Herausforderungen nicht mehr und meinen, das wird schon irgendwie gehen. Ich denke genau das ist auch das Problem, das uns sowohl im Buch Exodus als auch in dem Text aus dem Evangelium des Johannes überliefert und zum Nachdenken mitgegeben wird.
„Jetzt lass mich sie mit meinem Zorn verzehren!“, das hört sich fast so an, als würde Gott Moses um Erlaubnis fragen für das, was er nun vorhat.
„Lass ab von deinem glühenden Zorn!“ hört sich andererseits so an, als würde Mose Gott einen Befehl geben. Klingt so ein wenig wie verdrehte Welt, ist aber sicherlich sehr viel tiefsinniger, als es auf den ersten Blick erscheint. Vielleicht hat sich Moses an die Diskussion Abrahams mit Gott um Sodom und Gomorrha erinnert und daran, dass Gott eben auch ein Gott ist, der von den Israeliten verehrt wird. Auch wenn sie manchmal den bequemeren Weg nehmen, man könnte auch einfach sagen zu faul sind sich anzustrengen oder ganz, wie es der Mentalität der Völker des Vorderen Orients eigen ist, um jede Sache am besten feilschen. Und ich denke, genau diese Eigenschaft ist es, die bei Mose durchkommt, wenn er mit Gott darüber diskutiert ob das Volk, wenn auch wohl zu Recht, bestraft werden soll.
Gott ließ sich mit Abraham darauf ein und er lässt sich auch bei Mose darauf ein, denn er ist für überzeugende Argumente zugänglich. Aber wird Gott so nicht zu einer vernünftigeren Ausgabe eines Menschen, nur dass er mit übermenschlichen Kräften ausgestattet ist? Die Menschen sind Gott auf der Spur und finden Schritt für Schritt heraus, wie er wahrscheinlich, vielleicht oder möglicherweise ist oder sein könnte. Die größte und entscheidende Offenbarung Gottes aber können wir dann in der Menschwerdung seines Sohnes entdecken. Und gleichsam scheinen in Jesus dann diese Spekulationen über Gott ein Stück weit aufzugehen. Man hatte gewissermaßen nicht ganz Unrecht mit dem, was man von Gott dachte und wie wir es in der Exodus-Geschichte überliefert bekommen. Man kann mit Gott, beziehungsweise eben mit Gottes Sohn, der ja aber auch Gott ist, wunderbar reden und diskutieren und manchmal sogar feilschen.
Aber worum geht es denn nun eigentlich? Aus der Geschichte wird klar, dass die Menschen wieder einmal nicht so wollen wie Gott, dass es aber sehr wohl einige gibt, in dem Falle Mose, welcher den Weg Gottes zu verstehen scheint, der aber eben genauso viel Verständnis für sein Volk hat und deshalb für die eintritt, die Gott noch nicht als den erkannt haben der ist, seine Wege nicht verstehen können oder wollen oder aus welchen Gründen auch immer auf ihren eigenen und oft falschen Wegen unterwegs sind.
Müssten wir heute nicht sehr viel klüger und verständiger sein, da wir doch alle diese Geschichten kennen, all das, was uns erzählt wird über Versagen, Scheitern, angedrohte Strafe bis hin zur Vergebung und einem Neuanfang? Wahrscheinlich genauso wenig wie die Menschen zur Zeit Jesu, denn auch die kannten schon die Geschichten aus dem Alten Testament, sind aber nicht schlau daraus geworden, und das ist auch der Grund für Jesu Auftreten und Kritik.
Wie Gott wohl ist und was er will, was er von uns Menschen erwartet, dafür durchforschten und durchforschen immer noch die Menschen die Schriften, schauen sie in die Geschichte und betrachten, welche Erfahrungen die Menschen mit Gott hatten, befragen die Schöpfung und philosophieren über Gott und die Welt, wie es ein landläufiger Spruch so sagt. Über die Jahrtausende sind wir Menschen zu vielen Erkenntnissen gekommen und ich denke, dass auch noch Generationen nach uns viele Menschen ganz neue Aspekte von und an Gott entdecken werden.
Es kann Freude machen in den Gedanken heutiger und früherer gelehrter Männer und Frauen etwas von Gott zu erfahren, das mir selbst noch nie so in den Sinn gekommen ist. Darum hören wir ja auch Predigten, schließlich meinte Luther, dass sich die Schrift jedem erschließen kann, aber vielen kann man eben mit der Predigt auf die Sprünge helfen. Wichtig ist es, dabei nicht stehen zu bleiben.
Die Weisheiten von anderen muss ich nicht als meine annehmen und schon gar nicht später als meine verkaufen. Das würde nur bedeuten, dass wir selbst keine Meinung haben.
Das ist eine schwierige Konstellation. Zum einen sollen wir auf die Altvorderen hören, ihre Erfahrungen annehmen und daraus lernen, andererseits uns ein eigenes Urteil bilden. Heute nehme ich nur allzu oft wahr, dass man gern die Erfahrungen der Alten in den Wind schlägt, selbst aber zu faul ist sich mit der Materie kritisch auseinanderzusetzen, dafür aber schnell junge dynamische Ideen und Pseudoweisheiten annimmt und weitergibt. Wo bleibt denn da meine Freiheit, die ich gegen die einen verteidige und gegenüber den anderen aufgebe? Fakt ist, dass man ruhig mal eine alte Vorstellung, auch von Gott, übernehmen kann, ohne sich dabei zu verbiegen und genauso eine neue oder eigene zu postulieren, am Ende wird es vermutlich ganz anders sein. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist, denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Pfr.i.E. Kay Lohse