Könnt ihr euch eigentlich noch an eure Grundschulzeit erinnern? An den ersten Schultag, wie sah deine Zuckertüte oder Schultüte aus, wie ihr zum ersten Mal in das Klassenzimmer gekommen seid, (wo ihr dann unzählige Tage und Unterrichtsstunden verbracht habt), Hausaufgaben haben noch Spaß gemacht, und man hat sie gerne den Eltern gezeigt, du wolltest täglich deinen Eltern erzählen, was du in der Schule erlebt hast, die ersten Zensuren…
Erinnert ihr euch an die Klassengemeinschaft, die Freundschaften, vielleicht auch an so manche größeren oder kleineren Konflikte, wo die Worte fehlten, flogen schnell die kleinen Fäuste, die Wandertage, Faschingsfeiern und vieles mehr… Die Grundschulzeit war für uns wahrscheinlich ein sehr prägender Abschnitt in unserem Leben. Meistens haben wir sie in guter Erinnerung. Manchmal kommen uns aber auch Situationen in den Sinn, an denen wir das Thema Schule am liebsten vergessen würden. Doch ganz egal, was uns alles beim Gedanken an unsere Schulzeit in den Kopf kommt, eines bleibt sicher im Gedächtnis: unsere Lehrerinnen und Lehrer.
Selbstverständlich braucht es beim Erlernen von Neuem viele verschiedene Voraussetzungen. Neben Neugier und persönlichem Interesse sind sicher auch eine gewisse Begabung und Cleverness von Vorteil. Doch den wahrscheinlich wichtigsten Faktor beim Lernen bildet die Lehrerin oder der Lehrer. Je spannender, anschaulicher und lebensnaher wir etwas vermittelt bekommen, desto leichter fällt es uns, es zu verstehen und zu verinnerlichen. Sicher gelang dies den Grundschullehrern fast immer, und so wird jeder von uns beim Rückblick auf die eigene Schulzeit die Lieblingslehrerin oder den Lieblingslehrer in Erinnerung haben. Und vielleicht auch Lehrer, die nicht so toll waren. Doch sie alle haben Spuren in unserem Leben hinterlassen. Positive und negative.
Im Evangelium des heutigen Sonntages erfahren wir auch von einem Lehrer. Es ist Jesus selber, der am Sabbat in Kafarnaum in die Synagoge geht und den Menschen dort seine neue Lehre, die Lehre Gottes, vermittelt. Leider sagt uns der Evangelist Markus nichts über die Inhalte von Jesu Predigt, aber er beschreibt ihre Wirkung. Die Zuhörerinnen und Zuhörer staunen, ja sie sind sogar bestürzt. Denn Jesus lehrt nicht wie sie es von den Schriftgelehrten gewohnt sind. Bei ihm steckt mehr dahinter. Er ist mächtiger. Das spüren sie Menschen sofort.
Doch es bleibt nicht nur bei der reinen Lehre. Jesus setzt durch Gottes Wirken seine Worte sogleich in die Tat um. In der Synagoge trifft er auf einen Mann mit einem unreinen Geist. Einer, der krank ist, besessen von einem Dämon. Einer, der von der Gesellschaft ausgegrenzt ist. Zur Zeit Jesu galten solche Menschen als von Gott Bestrafte wegen ihrer Sünden. Und gerade dieser Besessene ist es, der Jesus und dessen Vollmacht erkennt. Jesus heilt den Mann. Der Dämon gehorcht seinem Befehl und fährt aus, weil er einsieht, dass Jesus mächtiger ist als er.
In unserer aufgeklärten Welt befremdet uns die Vorstellung von Dämonen eher. In dem, was die Bibel als deren Einfluss beschreibt, erkennen wir heute meist psychische Krankheiten. Gegen die es Medikamente gibt.
Ein bekannter Bibelwissenschaftler unserer Zeit, Fridolin Stier, übersetzt das Wort „Dämon“ mit „Aber-Geist“. Und da entdecke ich, was da vielleicht gemeint ist. Wohl in jedem von uns sitzt auch so ein kleiner Aber-Geist, mehr oder weniger mächtig über uns: Einer, der uns einflüstert: „Nutz deinen Vorteil aus! Sei egoistisch! Sei gehässig! …“
Und in unserer Welt gibt es Phänomene, die nicht einfach auf eine psychische Störung oder auf falsche Ideologien reduziert werden können.
Das gilt zum einen für den Menschen als Individuum. Die Untaten eines Hitler, eines Stalin, und jetzt eines Wladimir Putin lassen sich ja nicht einfach damit erklären, dass die Genannten nicht ganz richtig im Kopf waren oder sind. Im Gegenteil: Sie hatten und haben einen sehr genauen Plan, das Menschenverachtende, das Böse in die Tat umzusetzen. Und wenn man manche Straftat und manche Kriegshandlung vor Augen hat, dann kann man sich schon fragen: welche Abgründe existieren in einem Menschen, von welchen Mächten wird er getrieben.
Ehrlicherweise muss man aber hinzufügen: wer sein eigenes Herz, sein eigenes Denken ehrlich anschaut, der wird so manches mal erschrecken, welche Gehässigkeit, welche Gewaltfantasien, welche abartigen Vorstellungen sich da melden. Der Philosoph Immanuel Kant spricht von einem „Hang zum Bösen“, der dem Menschen innewohnt.
Aber wir alle haben auch eine Instanz in uns, die uns sagt, was das Gute, das Gerechte, das Richtige ist. Gottlob ist in den meisten Menschen das die stärkere Stimme.
Am kommenden Sonntag begehen alle christlichen Gemeinden in Deutschland den Bibelsonntag. Wir tun dies seit vielen Jahren in ökumenischer Verbundenheit in Erinnerung daran, dass die Bibel – also das Wort Gottes – die Grundlage unseres Christlichen Glaubens ist. Und nicht nur das: sie kann uns auch eine gute Lehrerin oder ein guter Lehrer sein.
Denn neben all den vielen digitalen und persönlichen Ratgebern, neben all den Tipps von Influencern, Fachleuten, Wissenschaftlern oder Lebenstrainern und unserer eigenen Erfahrung kann auch das Wort Gottes eine wichtige Inspiration und Unterstützung sein. Eine der Säulen unseres Glaubens ist: Wenn wir in der Bibel lesen, dann sind das nicht nur schöne Geschichten, die 2000 oder 3000 Jahre alt sind. Wenn wir in Gemeinschaft oder auch alleine in der Bibel lesen, dann spricht oft Gott zu uns. Freilich gehört noch ein bisschen Hirn-Arbeit dazu, zu übersetzen: was will der Bibeltext (ein Abschnitt, ein Satz, ein Wort) > mir > heute sagen.
Das Wort der Bibel kann uns helfen, die Herausforderungen unseres Lebens und unseres Alltags zu meistern. Also warum nicht in der nächsten Zeit mal wieder öfter die Bibel als analoges Buch oder digital zur Hand nehmen und aus dem Evangelium neue Kraft schöpfen? Einfach mal zwischendurch, zuhause oder in einem Gottesdienst. Aber nicht als Hausaufgabe, sondern aus Neugier oder Interesse. Auf jeden Fall ganz losgelöst von Schule.
Pater Michael Stutzig SDB