„Macht hoch die Tür“, da habe ich ziemlich klare Bilder im Kopf, da denke ich zuerst an eine alte Burg mit einem mächtigen Burgtor, das hochgezogen wird. Vor vier Jahren war ich einmal in Carcassonne, einer riesigen mittelalterlichen Burganlage und man konnte sich dort trotz der vielen Touristen, von denen es dort nur so wimmelte, richtig gut vorstellen, wie durch das breite Tor der Burgherr mit seinen Rittern hereingeritten kam.
Es war eindrucksvoll, zum einen das Historische zu sehen, zum anderen sich vorzustellen, wie das damals gewesen sein muss. Wie in einem alten Film, vielleicht mit Robin Hood, dieser Film wurde dort übrigens gedreht, sah man im Geiste die Menschen, die am Rand gestanden haben und den Hereinreitenden zugewunken und zugejubelt haben. Der da kam, das war nicht irgendwer, irgendein Besucher, das war der Burgherr, der anderen die Sicherheit gewährte, der Herr des Ganzen war.
Und als er dann im Burginneren vom Pferd stieg, da begrüßte ihn seine Familie, seine Freunde, die zurückgeblieben waren und man könnte sich auch gut vorstellen, wie vielleicht ein junges Mädchen mit einem großen Strauß Blumen ihren Burgherrn freudig begrüßte.
Eben so ein Blumenstrauß oder ein anderes Willkommensgeschenk sind zeichenhafter Ausdruck unsere Zuneigung oder stellen die Würde einer besonderen Situation noch einmal heraus und lassen das Ganze noch viel eindrucksvoller erscheinen.
Gerade die Adventszeit ist voll von solchen Zeichen und Symbolen und manche dieser Zeichen nennen wir Lebenszeichen, weil sie etwas mit dem Leben zu tun haben, mit der Freude am Leben selbst, genauso wie an dem, was gerade geschehen ist.
Die Religionen sind voll von solchen Lebenszeichen. Im Judentum ist es der Davidstern oder die Menora, im Buddhismus das Rad der Lehre.
Und im Christentum, da ist es natürlich das Kreuz, der Fisch und jetzt im Advent der Adventskranz.
Eigentlich verstehen wir den Ausdruck Lebenszeichen ganz anders.
„Lebenszeichen“ - steht vielleicht in der Betreffzeile einer E-Mail und ich entdecke es ist ein Freund, der sich schon lange nicht mehr gemeldet hatte. Diese E-Mail ist ein Signal, dass er sich freuen würde, wenn ich mich melde, dass wir uns einmal wieder nach langer Zeit treffen könnten und ich auch selbst nicht die Zeit gefunden hatte mich bei ihm zu melden und so freue ich mich, dass er es getan hat.
Ein Lebenszeichen der Freude.
„Lebenszeichen“ - das Klopfen von Verschütteten in einem Bergwerk oder wie vor kurzem wieder in den Nachrichten aus Indien, aus einem Autobahntunnel. Es signalisiert, dass die Retter auf der richtigen Spur sind, die Rettungsaktion Erfolg verspricht.
Ein Lebenszeichen der Hoffnung.
„Lebenszeichen“ – sagt der Arzt, die Vitalfunktionen sind wieder im normalen Bereich, Puls und Blutdruck sind stabil, eine Sache, die im Krankenhaus und beim Rettungsdienst tagtäglich geschieht, ein Zeichen der Besserung für den Patienten, es gibt Hoffnung, dass es wieder gut wird.
Ein Lebenszeichen der Heilung.
„Lebenszeichen“ – der langersehnte Anruf des Sohnes, der Tochter, der Eltern oder Großeltern nachdem sie über lange Zeit den Kontakt abgebrochen hatten, weil es Unstimmigkeiten gab. Die Stimme des anderen am anderen Ende der Leitung zu hören löst diese Ungewissheit sich nicht wiederzusehen.
Ein Lebenszeichen der Erlösung.
„Lebenszeichen“ – darum geht es in der Adventszeit, sie erzählen neben den ganz sichtbaren Dingen, die wir als Lebenszeichen bezeichnen, von diesen Emotionen und bewegenden Momenten, von Freude, Hoffnung, Heilung und Erlösung.
Und mit keinem Lebenszeichen verbindet sich wohl so viel Hoffnung und Freude, wie mit dem Adventskranz. Mit ihm beginnt die Adventszeit, mit ihm beginnt der Weihnachtsfestkreis und es ist wie so eine Art Türöffner, der wenn wir ihn erst einmal benutzt haben schnurstracks auf das Ziel hinführt.
Manche basteln ihn selbst, andere vertrauen auf die Geschicklichkeit von Floristen oder kaufen ihn beim Discounter. Für manche ist es klar, dass er traditionell sein muss, andere orientieren sich an jährlich wechselnden Trendfarben und angesagten Styling-Ideen. Ende November hat er Hochsaison, der Adventskranz. Überall ist er zu finden, auf den heimischen Tischen, an Empfangstresen von Arztpraxen, am Schalter der Bank, im Schaufenster, in der Kindertagesstätte und bei uns in der Schule im Foyer, im Büro und natürlich in der Kirche, es gibt sie in allen Größen Farben und wie man ihn sich auch immer vorstellen könnte.
Aber er ist weit mehr als nur ein Dekorationsobjekt. Er hat eine Geschichte. Die meisten werden sie kennen. Hinrich Wichern hat ihn vor knapp 200 Jahren damals in seinem Waisenhaus in Hamburg erfunden. Er versuchte den elternlosen Kindern das Warten auf Weihnachten leichter zu machen, der Adventskranz war eine Art Hoffnungsspender für die ungeduldigen Kinder. Die Waisenkinder, welche er damals aufnahm, fragten in der Adventszeit immer wieder, wann es endlich Weihnachten wird. Anstatt sie zu vertrösten, baute er aus einem alten Wagenrad einen Holzkranz, steckte darauf vier große weiße Kerzen und dazwischen viele kleine rote und fertig war der Adventskranz oder wie ich jetzt mal gelesen habe der Lichterkalender. An jedem Wochentag der Adventszeit wurde eine kleine Kerze angezündet und an den Adventssonntagen jeweils eine Große, so konnten die Kinder die Tage bis Weihnachten abzählen und sie konnten sehen, wie lange es noch dauert.
Überhaupt eine spannende Idee, dass in dem, was wir sehen und das immer weniger wird, die Freude auf das Bevorstehende immer mehr zunimmt.
Und diese große Freude, nicht die auf die Geschenke, sondern auf die Christgeburt, auf die Menschwerdung Gottes, was wir leider bisweilen über dem ganzen Advents- und Weihnachtsrummel vergessen, die braucht Platz, darum heißt es auch „Macht hoch die Tür, das Tor macht weit.“ Als ich noch Kind war und es noch keine Schokolade gefüllten Adventskalender gab, da waren hinter den Türchen Bilder und am Heiligabend, war es entweder eines vom lichtumstrahlten Kind in der Krippe oder der Adventskranz mit vier brennenden Kerzen.
Ich stelle mir gerade vor, wie sich die Tür, das Tor immer weiter hebt und immer mehr Licht hereinstrahlt und dann wird es ganz warm ums Herz, ganz ohne Glühwein und Geschenke, weil es ein Zeichen von neuem Leben gibt, ein Lebenszeichen. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Pfr.i.E. Kay Lohse