Wie viele Worte braucht es für ein gutes Gebet? Sicher kann man jetzt erschrecken, womöglich auch denken: Moment mal, gibt es denn für ein Gebet eine Rezeptur? Und überhaupt, was heißt da gut?
Also genau genommen gibt es schon eine Rezeptur. Das ist immer das leidige Thema, wenn es um die Schulgottesdienste geht, besonders wie jetzt wieder zum Abiturgottesdienst und die Abiturienten sich etwas schwer tun mit den Fürbitten, die da gelesen werden. Ihr habt ja auch die Fürbitten für diesen Gottesdienst selbst geschrieben, was ich ziemlich gut fand und die sind auch stimmig, aber manche verstehen den Sinn dieser Gebete gar nicht und sind deshalb damit unzufrieden, denn sie verwechseln etwas. Es gibt verschiedene Arten von Gebeten. Manche von denen gehören in die Öffentlichkeit, zum Beispiel die Fürbitten, andere wieder gehören nur in einen bestimmten Kreis oder sind sehr persönlich.
So persönlich, dass sie niemanden anderen etwas angehen. Und da merkt man schon, wenn ich ein persönliches Gebet formuliere, das niemand anderes hört, als Gott und ich, dann werde ich mich da nicht unbedingt an bestimmte Regeln halten müssen, sondern ich kann sagen was mich bedrückt und bedrängt, was mir auf der Seele lastet, worunter ich leide oder vor allem eben auch, worüber ich mich freue und wofür ich dankbar bin. Beim öffentlichen Gebet sieht das schon ein bisschen anders aus. Da gehören bestimmte private Dinge einfach nicht hinein. Zum einen, weil sie eben andere nichts angehen, zum anderen, weil sie andere nicht interessieren und darum gibt es für diese Gebete schon eine Art Rezeptbuch. Deshalb gibt es verschiedene Formen von Fürbittgebeten und es gibt bestimmte Anliegen, die darin zur Sprache kommen sollen und sie werden von den am Gottesdienst Beteiligten vorgetragen, aber eigentlich sind es die Bitten derer, welche mitbeten. Es sind gemeinsame, gemeinschaftliche Bitten, die alle betreffen.
Schwieriger wird es bei der Frage danach, was ein gutes Gebet ist, denn für mich selbst ist wahrscheinlich ein gutes Gebet, wenn das, was ich im Gebet erbitte, dann auch eintrifft. Und oft ist man enttäuscht, wenn man vor der Klassenarbeit noch schnell ein Stoßgebet losgelassen hat, weil man vergessen hatte zu lernen, und dann doch eine schlechte Zensur herauskommt. Vielleicht war das Gebiet ja dann auch wirklich schlecht. Das heißt, Gott hat die Bitte nicht erfüllt, etwa weil er nicht wollte, sondern weil ich eben nur so im Vorbeigehen, quasi schnell mal etwas daher gebetet habe und Gott als Wunscherfüllungsmaschine angesehen habe, anstatt ernsthaft mit ihm reden zu wollen und dann war es eben nicht so gut.
Hingegen beim öffentlichen Gebet kann man schon sagen, ob ein Gebet gut oder schlecht ist.
Allerdings bezieht sich das nicht auf den Inhalt, sondern auf die Art und Weise und das ist, glaube ich, ganz wichtig, denn über die Art und Weise darf man ruhig einmal sich beschweren.
Es gibt einen schönen Satz eines Theologen über die Qualität von Predigten, den man genauso gut auf die Qualität von Gebeten beziehen könnte, er hat gesagt, dass es sehr wohl gute Predigten gibt, aber eben auch nicht so gelungene. Und so gibt es auch gute Fürbitten und nicht so gelungene Fürbitten, aber wie schon gesagt, bezieht sich das nicht auf den Inhalt, sondern auf die Form. Also noch einmal: Was heißt das, ein gutes Gebet zu beten?
Es soll aus einem offenen ehrlichen Geist heraus entspringen, dann sagt man, kämen die richtigen Worte von selbst und wir reden ja in einem Gebet zu Gott und wenn wir dann so vor ihm stehen, dann weiß er nicht nur ehedem schon was wir eigentlich erbitten wollen, sondern wir haben es ja auch ausgesprochen.
Und genau das ist das Wichtigste, dass ich es selbst einmal gesagt habe, wirklich von mir selbst gehört habe, wo ich Fehler gemacht habe, wo ich schuldig geworden bin oder wo ich mich über etwas besonders gefreut habe, dass dies eben keine Selbstverständlichkeit ist und genau das freut auch Gott. Denn natürlich wusste er diese Dinge schon vorher, aber in der Tatsache, dass ich es ausgesprochen habe, dass ich vertrauen zu ihm gefunden habe, ihn bitten wollte, baut sich eine ganz andere Beziehung auf. Darum ist es ja manchmal auch so schwer zu beten, weil man sich vielleicht für etwas schämt, aber Gott ist eben nicht einer der abrechnet mit mir und mich für meine Fehler zur Verantwortung zieht oder gar verdammt, sondern einer, der mich versteht und der Brücken bauen will und die wichtigste Brücke heißt: „Vertraue mir!“ Wenn ich vorsichtig versuche diese Brücke zu gehen, dann werde ich feststellen, dass sie mich trägt und je weiter ich gehe, desto mehr werde ich dieses Gefühl bekommen und dann fällt auf dem Weg hin zu Gott im Gebet alles Schwere von mir ab und weil das eben nicht so einfach ist, weil wir oft nicht die richtigen Worte finden und weil wir eben nicht plappern sollen wie die Heiden, daher labern ohne Sinn und Verstand, darum hat uns Jesus Christus ein Gebet gegeben mit dem wir immer das richtige Treffen, was wir immer sprechen und beten können und wodurch wird Sicherheit gewinnen.
Beten ist gar nicht leicht und man kann wirklich viele Fehler machen, aber das ist egal, denn es geht nicht um eine Rezeptur oder Regeln. Damit es aber leichter wird haben wir mit dem Vaterunser diese Hilfe, zum Beispiel wenn uns die richtigen Worte fehlen. Und das macht das Vaterunser zu etwas ganz Besonderen. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Pfr.i.E. Kay Lohse