Ichhabe im Stundenbuch für den heutigen Tag einen interessanten Satz gelesen. Dietrich Bonhoeffer soll einmal gesagt haben: „Hilfe ist nur dann Hilfe, wenn sie gebraucht wird, nicht wenn es mir gefällt, sie anzubieten.“ Diesen Satz halte ich für sehr klug und wichtig.
Wir haben gerade aus dem Evangelium vom blinden Bartimäus gehört, der bettelnd am Straßenrand sitzt und eigentlich nur darauf wartet, dass die Zeit vergeht beziehungsweise sich jemand erbarmt und ihm einen Almosen in die Schale wirft, was er nur hören kann und er schnell einstecken muss, ehe ihm freche Straßenkinder die Münzen aus seiner Bettelschale stehlen, allein schon um ihn zu ärgern.
Keine schöne und erfüllende Beschäftigung. Es muss damals ziemlich schwierig gewesen sein als Blinder zu leben. Es gab noch keine dementsprechenden Einrichtungen für Blinde.
Man wusste noch relativ wenig über diese Erkrankung und meinte oft sie sei eine Strafe für irgendeine begangene Schuld. Die Blindenschrift war noch nicht erfunden, man wusste nicht was ein Blindenstock ist und viele Dinge, wie Führungsstreifen und ähnliches, die Sehbehinderten heute das Leben erleichtern, waren noch nicht erfunden. Das heißt, ein Mensch zu dieser Zeit, der blind war, war eigentlich vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Im besten Falle hatte er noch durch seine Familie Kontakte, aber wenn möglicherweise seine Eltern schon gestorben waren und er nicht eine Frau gefunden hatte, die einen Blinden heiraten wollte und mit ihm Kinder haben, dann war und blieb er allein und einsam. Da bleibt einem nicht viel mehr, als dort zu sitzen, wo er saß. Vielleicht hatte er nicht mal ein Haus oder eine Wohnung, denn wie hätte er dort allein zurechtkommen sollen, wovon hätte er es bezahlen sollen? Und in diese Situation hinein, die mehr als nur aussichtslos erscheint, kommt plötzlich Jesus, ein Mann, dessen Ruf ihm weit vorauseilt. Ein Rabbi, ein Lehrer, Rabbuni heißt es in dem Text, eine Bezeichnung für einen, den man besonders verehrt „mein Lehrer“. Einer von dem es heißt, dass er irre Dinge tun kann. Übers Wasser gehen, aus Wasser Wein machen und sogar Kranke heilen. Von so einem erwartet man sich viel, und wenn das eigene Leben nicht mehr besonders lebenswert zu sein scheint und die Aussicht auf Besserung nicht zu erwarten ist, dann ergreift man vielleicht jede sich bietende Möglichkeit, von der man denkt, dass sie Besserung bringt. Vielleicht ist das auch ganz instinktiv was Bartimäus da tut, zu ahnen, jetzt ist die Chance seines Lebens. Er will leben, ganz leben und das heißt für ihn im konkreten Falle, er möchte sehen können. Und nun in diesem Moment denkt er, nur einer kann das bewerkstelligen, Jesus.
Für uns wirkt das alles vielleicht ein wenig wie ein Zaubertrick, eben eine Wunderheilung, etwas das man nicht erwarten würde und nun doch eintritt. Großartig, phänomenal, Jesus der Wundertäter eben, aber für Bartimäus ist es vielleicht viel mehr. Er, der Blinde, wird durch Jesus zum Sehenden, aber das heißt, er kann nun nicht nur seine Umwelt sehen, er wird durch Jesus zu einem Sehenden und damit zu einem Erkennenden, Bartimäus geht auf, wem er als Mensch das Leben verdankt und das macht ihn zu einem Glaubenden. Er wird zu einem Menschen, der ganz und gar auf Gott vertraut. Für den Zuschauer mag das naiv klingen, für Bartimäus ist das alles die Erfahrung einer grundlegenden Verwandlung. Er ist auf Gottes Sohn zugegangen und hat damit sein Leben verändert.
Das ist ihm gelungen, weil er keine Angst hatte, keine Angst laut zu rufen, weil er instinktiv spürte, das ist der richtige Moment.
Hier kann etwas geschehen. Nicht erst zu reagieren, zu warten, bis alle Risiken abgeklärt sind und es dann vielleicht auch schon wieder zu spät ist, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind und man denkt alle Register gezogen zu haben und nun sich des Erfolgs sicher ist, um am Ende zu merken, dass alles taktieren und planen doch nichts gebracht hat, sondern er nutzt einfach den Moment, die Chance, die sich ihm bietet und das auch gegen den Widerstand der anderen, die ihn zum Schweigen auffordern.
Und was macht Jesus? Er hilft dem in Not Geratenen, und zwar nicht, nachdem er von der jubelnden Menge begrüßt wurde, nachdem er genügend Autogramme gegeben hat oder sich überlegt, dass er sich ja gerade aufgemacht hat und eigentlich jetzt nicht schon wieder stehen bleiben kann, denn da liegt ja noch so viel Weg vor ihm.
Er tut es genau im Sinne dieses Satzes von Bonhoeffer, zu helfen, wenn Hilfe gebraucht wird, nicht wenn er Hilfe anbieten möchte.
Das unterscheidet Jesus von vielen Menschen, die Hilfe geben möchten, aber zu Ihren Bedingungen. Aber richtige Hilfe ist bedingungslose Hilfe, genau wie wir es im Lesungstext von der Liebe hörten, wo es um bedingungslose Liebe ging, die das Höchste von allem ist. Dort, wo uns gesagt wird, dass Glaube, Hoffnung und Liebe die wichtigsten Dinge im Leben sind, aber das bei allem Glauben und Hoffen, die Liebe das Höchste ist, aber es ist die bedingungslose Liebe zu Gott und zum nächsten, die da gemeint ist, diese Liebe die Bartimäus in Form von Hilfe von Jesus erfährt. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Pfr.i.E. Kay Lohse