„Kommt her, mir nach Kanaillen!“ ein geflügeltes Wort bei unseren Abenteuerspielen im Gemeindewald, wenn wir Robin Hood oder Räuberhauptmann Kapitän Tenkesh gespielt haben. Das war so ein Weckruf, jetzt geht´s richtig los. Meistens passierte dann gar nichts oder zumindest nicht viel, denn das Spannendste war ja die Vorbereitung des Ganzen, die Planung, wie wir den vermeintlichen Gegner angreifen, uns anschleichen, ihn in die Zange nehmen und dann gnadenlos über den Verruchten herfallen.
Allein, den Gegner gab es ja gar nicht, allein schon, weil keiner den Bösen spielen wollte und so planten wir unsere Unternehmen gegen einen imaginären Feind.
Der Ruf des Anführers „Mir nach!“ endete in einer sinnlosen Hin- und Her-Rennerei in Richtung des vermeintlichen Gegners. Und ohne klares Ziel, ging uns auch schnell die Puste aus und meistens läuteten in diesem Moment die 18:00 Uhr Glocken.
Das bedeutete schnell nach Hause, denn wer nicht beim letzten Glockenschlag im Vorhäuschen stand hatte ein echtes Problem und meist am nächsten Tag Hausarrest.
Die Geschichte von Andreas und seinem Bruder Petrus mutet ein wenig ungewöhnlich, um nicht zu sagen verstörend an. Da kommt einer vorbei, schaut ihnen kurz bei der Arbeit zu und sagt: „Kommt mit, folgt mir!“ Und sie lassen alles stehen und liegen und gehen ihm nach.
Wir lernen nicht bei Fremden ins Auto zu steigen, nichts von Unbekannten anzunehmen und schon gar nicht mit irgendjemandem mitzugehen, sollten es nicht gerade die Erwachsenen besser wissen und das, was sie den Kindern zu Ihrem Schutz beibringen, nicht selbst tun, denn nicht nur Kindern widerfährt von anderen bisweilen Böses auch Erwachsene sind davor nicht gefeit.
Offensichtlich muss die Situation mit Jesus eine ganz andere gewesen sein und sicherlich steht auch nicht alles in der biblischen Geschichte, was sich damals ereignete. Vielleicht gerade deshalb, um damit zu verdeutlichen, welchen Eindruck Jesus auf die Menschen seiner Zeit gemacht haben muss. Vielleicht kennt ihr das ja auch, dass man jemandem begegnet, der einen sofort und total beeindruckt, weil er oder sie so eine ganz bestimmte Ausstrahlung haben. Letztens erst habe ich eine Frau kennengelernt, die mich sehr an die Frau eines guten Bekannten erinnerte und dann hieß sie auch noch genau wie seine Frau und die ganze Zeit war sie in ihrem Wesen und wie sie erzählte genau wie die Bekannte, so dass ich das Gefühl hatte diese Frau schon ewig zu kennen, dabei habe ich sie an diesem Tag zum ersten und wahrscheinlich auch zum letzten Mal in meinem Leben gesehen.
Was ich mich bei der Geschichte frage, was hat die zwei so an Jesus beeindruckt? Wir werden es nie erfahren, denn dazu hätten wir dabei sein müssen. Aber wir wissen darum, wer Jesus war und was er wollte und aus dieser Perspektive wissen wir schon, wieso die beiden so beeindruckt gewesen sein könnten.
Es war sicherlich Jesu Offenheit und seine Zugewandtheit und natürlich seine Botschaft. Das Evangelium, übersetzt heißt dieses griechische Wort wortwörtlich „die gute oder frohe Botschaft“. Wenn wir das Wort Evangelium hören, dann denken wir wahrscheinlich zuerst an die Bibel, das Neue Testament oder an einem Evangelisten oder eine Geschichte aus den Evangelien, die wir besonders mögen. Aber hören wir auch den Sinngehalt des Wortes, also „gute, froh machende Botschaft“ oder hören wir das Wort als Folge von Buchstaben mit einer bestimmten Bedeutung wie eine Vokabel?
Es gibt ja viele Worte, auf die wir anspringen und auch sehr emotional reagieren. Bei mir ist das zum Beispiel das Wort „Bier“ dann denke ich an Feierabend und gemütliche Runden und Entspannung oder beim Wort „Ostsee“, da denke ich an blaues Meer, schöne Schiffe, eine leichte Brise und Urlaub pur.
Was ist das bei euch? Taschengeld, Ferien oder Himbeerlimonade, Orangina? Für jeden ist es etwas anderes, aber viel wichtiger ist es, dass es diese Worte gibt und dass wir sie, wenn sie uns nicht mehr so emotional berühren, sie wieder aus der Versenkung holen.
„Evangelium“, das klingt nach Freude, nach Freiheit und Unbeschwertheit, es klingt nach Reich Gottes, einem Ort ohne Krankheit, Leid, Krieg, Tod und Not, einem Ort der Zufriedenheit und Gelassenheit, nach Loslassen und angekommen sein.
Wir sollen niemandem nachlaufen, nicht irgendwem oder gar irgendwelchen Gurus am Wegesrand, was wir leider nur allzu oft tun. Aber wir sollen Jesus nachfolgen, und wenn wir uns fragen sollten warum, dann könnten wir auch fragen, was uns beeindruckt an ihm oder ob wir bereit sind uns wieder von ihm und seinem Wort beeindrucken zu lassen. Dazu müssen wir hören und die Worte wirken lassen. Sie nicht nur als Buchstabenfolge wahrnehmen, wie beim Wort „Freundschaft“, sondern dahinter zu hören „Freunde schaffen das!“, dann hören wir auch wieder den schönen Klang des Wortes Evangelium als frohe Botschaft, die uns auch wirklich froh macht.
Ich denke diesen Klang haben Andreas und Petrus gehört, darum haben sie alles stehen und liegen gelassen und sind Jesus nachgefolgt.
Diesen Sonntag beginnt die besinnliche Adventszeit, Zeit wieder einmal genauer hinzuhören, dann könnten wir auch dem Ruf folgen: „Kommt mit!“ Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Pfr.i.E. Kay Lohse