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Worauf man verzichten kann

Das ist echt ungeheuerlich, jedenfalls für die damalige Zeit muss das unvorstellbar gewesen sein, dass die Jünger etwas so Grundsätzliches infrage stellen und das ohne sich vorher mit denen abzusprechen, die möglicherweise über die Einhaltung dieser Dinge zu entscheiden hätten.

 

Sie wollen, dass das entscheidende Zeichen des Bundes zwischen Gott und seinem auserwählten Volk, die Beschneidung, nicht mehr verpflichtend ist für die, welches sich nun als neues Volk Gottes verstehen, aber trotzdem mit den Juden noch verbunden sind, denn schließlich waren die Jünger nichts anderes als Juden, die Jesus nachgefolgt sind und erst später haben sich viele andere, die wir heute als Heiden bezeichnen, dazu entschlossen Jesus zu folgen. Und genau darum geht es in der Apostelgeschichte, ob sich die, welche Jesus nachfolgen wollen, an diverse jüdische Regeln halten müssen, an die sich auch die Juden halten müssen. Manches sollen sie auch einhalten und das ist durchaus sinnvoll, logisch und vernünftig. Sie sollen sich von Verunreinigungen fernhalten, nun das meint natürlich etwas anderes als sich schmutzig zu machen, sie sollen auf den Genuss von Götzenopferfleisch verzichten. Nun, für uns heute sollte das kein Problem sein, jedenfalls wüsste ich nicht, wo ich heute so etwas herbekommen sollte und außerdem hat Paulus einmal argumentieret, dass wenn es nur einen Gott gibt und alle anderen nur Götzen sind, dann ist das Opferfleisch von diesen Ritualen also nur ganz banales Fleisch, das man ihnen darbringt, ergo Problem gelöst. Unzucht zu meiden, das Thema will ich jetzt gar nicht auswalzen, aber auch das ist durchaus erstrebenswert und letztlich gehört es zur Einhaltung der Gebote. Ja, und dann sollen sie noch auf Ersticktes verzichten und auf Blut. Da wird es schon wieder schwieriger, denn da gibt es in Deutschland ganz klare Regeln, was das Schlachten von Tieren angeht.

Und es ist eigentlich einer der entscheidenden Gründe, warum ich wohl nie zum Judentum übertreten könnte, denn ich liebe Blutwurst. Aber das Problem damals ist ein ganz anderes und das ist oder wäre heute genauso aktuell wie damals. Die Jünger meinen, dass die, welche keine Juden sind und Jesus aber nachfolgen wollen auf etwas für die Juden ganz Entscheidendes verzichten, nämlich auf die Beschneidung. Im Prinzip wäre das so, als ob man den Christen sagen würde, verzichtet auf die Taufe. Das ist jetzt natürlich etwas unlogisch, denn gerade darum geht es ja, da man sich dann nicht mehr beschneiden lassen musste und keine Jude mehr wurde, wurde man durch die Taufe Christ. Aber an dem Vergleich merkt man trotzdem, wie existentiell diese Forderung für die Juden damals gewesen sein muss, wenn jetzt eine solche Forderung aufgestellt wird, und die wird nicht von irgendjemand aufgestellt, sondern von den Sprachrohren Jesu.

Von denen, die wir Apostel nennen, die also von Jesus, wie der Name sagt, ausgesandt wurden seine Botschaft zu verkünden und der war ein Jude und sie selbst sind Juden und nun soll das alles nicht mehr gelten. Das ist wohl eine Ungeheuerlichkeit.

Vor einige Tagen war ich bei einem Gespräch und da ging es um die Zukunft der Kirche und da wurde gesagt, dass bei vielen Menschen der Wunsch bestehe, die Dinge immer schön so zu lassen, wie sie waren, denn früher war nicht nur alles besser, sondern da war es noch gut. Wenn ich heute manches mal zurückschaue, mit dem verklärten Blick auf längst vergangene Tage und daran denke, wie schön das damals war und was das für einen Spaß gemacht hat, dann kommt mir nach kurzer Zeit auch in den Sinn, dass es eigentlich gar nicht so schön war, dass man aber die Dinge von damals in einem anderen Licht sieht. Und man sagt auch, man erinnere sich vor allem nur an die schönen Dinge.

Also selbst aus Situationen, die schlimm und schlecht waren, versucht man noch das Positive zu extrahieren, denn an das Schlechte möchte man sich nicht erinnern, das heißt die guten alten Zeiten, waren gar nicht so gut, wie wir oft sagen.

Wenn unserer Vorfahren so gedacht hätten, immer nur das Alte zu bewahren, wo hätte da der Fortschritt herkommen sollen. Natürlich müssen wir auf den Erfahrungen der Alten aufbauen und die Erkenntnisse und das Bewährte erhalten und nutzen, darüber dürfen wir es aber nicht konservieren und als ewig gültige Weisheit immer nur weiterreichen. Wie hieß doch noch mal die alte Weisheit? „Tradition ist nicht die Verehrung der Asche, sondern das Weitertragen des Feuers!“ Manchmal muss man aber auch etwas hinter sich lassen, auch wenn es schmerzt, dabei dürfen wir natürlich nicht leichtfertig werden. Wie es Jesus schon im Evangelium sagte, haltet die Gebote und bleibt in meiner Liebe, dann wir eure Freude vollkommen. Man muss also wissen, worauf man verzichten kann und was man eventuell zurücklassen muss, um zu Neuem zu gelangen, die Kunst liegt in der richtigen Entscheidung zur rechten Zeit, das gelingt, wenn neben Verstand und Sachlichkeit auch das Herz nicht vergessen wird.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Pfr.i.E. Kay Lohse