In dieser Woche wird aus dem Johannesevangelium gelesen, da findet sich am Dienstag die Geschichte von der Heilung am See Betesda. Da ist die Rede von einem Mann, der seit achtunddreißig Jahren krank war, wahrscheinlich war er gelähmt. Das ist eine lange Zeit, insbesondere, da die Menschen damals nicht so alt wurden, also könnte man praktisch sagen, er war sein ganzes Leben lang krank.
Es heißt, dass Jesus, als er ihn dort liegen sah und hörte, dass er schon so lange krank war, ihn fragte, ob er gesund werden will. Man kann sich sicherlich gut vorstellen, wie die Antwort lautete, allerdings hatte er die Frage wahrscheinlich auch falsch verstanden, denn er erklärte Jesus, dass er niemanden hat, der ihn zum heilenden Wasser trage könne. Jesus kürzt das Ganze ab, denn er hat gar nicht vor, den Kranken dorthin zu tragen, er wollte nur wissen, ob es der Kranke ernst meint mit seinem Gesundwerdenwollen. Dann sagt er nur: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und der Mann stand auf, nahm sein Bett und ging, er war geheilt. Eine feine Sache finde ich, es wäre schön, wenn man alle Kranken so leicht heilen könnte und eigentlich möchte man meinen, dass die Leute um Jesus herum nicht nur begeistert waren, sondern dass auch wirklich gut fanden, nur dummerweise war an diesem Tag Sabbat und da ist es nicht erlaubt, ein Bett zu tragen.
Das Problem liegt natürlich tiefer, denn es geht nicht um den Geheilten oder um das, was Jesus gemacht hat, sondern darum, ob dem Gesetz genüge getan wurde oder nicht. Denn einige haben natürlich gesehen, wie der einstig Gelähmte plötzlich umhergeht und dabei noch seine Bahre, auf der er lag, durch die Gegend getragen hat, das ruft die Oberfrommen auf den Plan. Sie reden mit dem Geheilten und er erzählt was ihm widerfahren ist und dass Jesus ihm gesagt habe, er solle sein Bett nehmen und nach Hause gehen. Man könnte denken, damit ist die Sache dann doch erledigt, denn die Umstände erklären ja recht einleuchtend, warum der Mann mit seinem Bett am Sabbat unterwegs ist, aber das wäre wieder mal zu schön, um wahr zu sein. Denn die gesetzestreuen Oberschlauen sehen in der Handlung einen schweren Verstoß und der Auslöser ist natürlich wieder mal dieser Jesus, ein richtiger Querulant und Störenfried.
Da fragt man sich doch heute, ob so mancher Konflikt nicht vermeidbar wäre, wenn man ein wenig guten Willen zeigen würde. Dass Jesus einen Kranken geheilt hat, das ist gar nicht das Problem, sondern nur, dass der Kranke sein Bett am Sabbat trägt. Da fallen uns doch hoffentlich die Worte ein, die Jesus an anderer Stelle selbst sagt, nämlich dass der Sabbat für den Menschen gemacht ist und nicht der Mensch für den Sabbat, aber den Kritikern ist die wortgetreue Einhaltung der Gebote wichtiger, als der Umstand Gutes zu tun und Menschen zu heilen.
Nur zur Klarstellung, natürlich ist die Einhaltung von Gesetzen sehr wichtig und man darf sie sich auch nicht passend machen, wo kämen wir da hin, aber es gibt eben auch Regeln, die man etwas freier auslegen kann oder sollte. Eddy Murphy bekommt in dem Film „Das Goldene Kind“ nach seinem Regelbruch gesagt: „Du musst wissen, wann Du die Regeln brechen musst!“ Das ist kein Aufruf zur Anarchie, sondern der wichtige Hinweis, dass zum Wohle der Menschen manchmal die Regeln einzuhalten genau das Falsche ist. Verantwortung macht sich darin deutlich, zu wissen wann und in welchem Maß dies zulässig ist.
Was ist wirklich wichtig? Dass der Mensch im Mittelpunkt steht! Jesus stellt ein Kind zwischen die Jünger und sagt ihnen, dass sie werden sollen, wie ein Kind, damit sie in den Himmel kommen. Kinder, so singt es Herbert Grönemeyer, berechnen nicht was sie tun. Jesus berechnet nicht, ob er die Sabbatregeln einhält, sondern tut das Richtige im richtigen Moment und dem Gelähmten etwas Gutes. Derzeitig tun ganz viele Menschen anderen Gutes, weil es gerade dran ist und jeder sollte an der Stelle, wo er sich befindet, überlegen, was er Gutes tun kann.
Pfr.i.E. Kay Lohse