Am Ende dieser Woche feiern wir den Sonntag Lätare - „Freue dich“ heißt dieser Sonntag. Man sagt auch, dass dieser Sonntag die Mitte der Passionszeit markiert, deshalb auch Mittfasten. Wegen des freudigen Charakters kann an diesem Sonntag die liturgische Farbe von violett zu rosa aufgehellt werden. Der Gedanke des sogenannten Bergfestes existiert ja wahrscheinlich in allen Bereichen des Lebens. Immer wenn eine bestimmte Zeit für etwas festgelegt ist, dann hält man auf der Hälfte irgendwie kurz inne.
Dabei spielt es gar keine Rolle, ob es sich um etwas Anstrengendes oder gar Negatives handelt oder um etwas Schönes, Positives. Entweder ist man eben sehr froh darüber, die Hälfte schon geschafft zu haben oder aber man denkt wehmütig darüber nach, dass schon die Hälfte vorüber ist, wie zum Beispiel beim Urlaub. Das Ganze hat dann etwas von dem halbvollen beziehungsweise halbleeren Glas, es ist immer eine Frage des Standpunktes, wie man es sieht.
Wenn wir jetzt innehalten in der Mitte der Passionszeit, dann muss man sich natürlich fragen, ob es gut oder eher schlecht ist, dass die Hälfte vorüber ist. Alle, die irgendwie diese Zeit nutzen, um zu fasten, finden es sicherlich eher schön. Dabei spielt es vielleicht auch eine Rolle, warum man fastet. Ob man es tut, um Abstand zu alten Gewohnheiten zu bekommen, sich bewusster zu ernähren und zu leben oder ob es eher die selbstauferlegte Kasteiung ist um abzunehmen. Das Eigentliche dieses Sonntags ist aber etwas anderes, denn den etwas fröhlicheren Charakter hat er daher, weil es tröstlich ist, dass das Osterfest näher rückt. Inmitten der nachdenklichen und ein wenig trüben Passionszeit leuchtet schon ein wenig die österliche Freude. Zwar sagt man, dass jeder Sonntag ein kleines Ostern sei, aber der Gedanke eben schon den halben Weg bis Ostern geschafft zu haben, ist doppelt tröstlich.
Ich denke mal, wenn die Menschen in der Ukraine wüssten, dass sie schon den Höhepunkt des Krieges überschritten haben, würden sie einiges leichter ertragen können. Aber leider kann das niemand sagen, wie lange dieser Krieg noch dauern wird oder ob er morgen zu Ende geht, denn er dauert eh schon viel zu lange oder ob alles ganz anders kommt.
In dieser Woche geht es im Matthäusevangelium um Vergebung, da wird die Geschichte erzählt, wie Petrus Jesus fragt, wie oft er seinem Bruder vergeben muss, wenn dieser an ihm sündigt. Siebenmal? Jesus meint: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. Ich denke, es macht nicht viel Sinn das jetzt auszurechnen, denn wie schwer fällt es uns anderen zu verzeihen und zu vergeben und dann soll ich ihm siebenmal vergeben, das ist schon sehr oft, aber das reicht Jesus nicht und da sind die 490-mal sicherlich symbolisch gemeint. Immer und immer wieder. Da stellt sich mir die Frage, wie es den Menschen im Krieg geht, die alles verloren haben, vielleicht sogar ihre Gesundheit oder geliebte Menschen, wie kann ich da vergeben? Jesu verlangt von uns manchmal sehr viel, manchmal mehr als wir geben können oder zu geben bereit sind. Da ist es doch eine gute Idee aufeinander zuzugehen, sich in der Mitte zu begegnen und sich zu freuen, dass ich nur den halben Weg gehen muss. Der, welcher um Vergebung bittet ebenso wie der, der vergeben soll.
Wenn wir uns am kommenden Sonntag auf Ostern freuen dürfen, weil schon die halbe Passionszeit vorüber ist, dann ist das nicht nur erfreulich im wahrsten Sinne des Wortes, sondern auch die Botschaft, nicht zu vergessen, dass der halbe Weg schon geschafft ist. Diese Freude können wir weitergeben, indem wir anderen entgegenkommen. Nicht hochnäsig zu warten, bis sie sich demütig entschuldigen, sondern selbst auch Schritte in Richtung des anderen zu gehen. Vielleicht gelingt uns das im Kleinen mit anderen, mit denen wir irgendwie verstritten sind, gerade jetzt in der Zeit der Besinnung und Einkehr und wir können nur hoffen, dass dies auch bald im Großen gelingen wird.
Pfr.i.E. Kay Lohse