Start ins Herbstprogramm

Pastor Christian Olding aus Geldern ist inzwischen kein Unbekannter mehr im Zwickauer Römerforum der Katholischen Akademie. Mit ihm eröffneten wir das neue Programm 2024/2025. Am Montag, dem 19. August 2024, stand zunächst die Frage des Gefühlsmanagements im Vordergrund.

Dabei stellte Christian Olding die Bauchgefühle in Beziehung zum Kopf, zum Herzen und zu den Werten, die einen leiten. Die beiden Antriebe des Bauches sind lt. Olding »Lustmaximierung und Unlustvermeidung«. Es sind zwei Prinzipien, die uns dazu verleiten, kurzfristig und triebgesteuert zu handeln. Wie der Kopf letztlich Vor- und Nachteile gewichtet, das ist nicht seine Sache. Dafür brauche man eine Ordnung der Wichtigkeiten im Herzen: eine Wertehierarchie. Wenn der Bauch fragt »Was macht Spaß?« und der Kopf »Was ist vernünftig und nützlich?«, so fragt das Herz: »Ist es gut? Entspricht es meinen Werten?« Um mit den Gefühlen richtig umzugehen, benötigen wir zuerst die richtige Auswahl von Werten und danach – in der Umsetzung dieser Werte – die vier Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. Wir kultivieren und prägen den Bauch durch das beständige Einüben von guten Handlungen. Olding ging im weiteren Verlauf auch auf Martin Seligmann, einen bekannten amerikanischen Psychologen, ein. Martin Seligman hat aus hundert menschlichen Kulturen sechs »Stärken und Tugenden« herausdestilliert, die allen gemein sind und damit Allgemeingültigkeit besitzen:
Weisheit und Wissen, Mut, Liebe und Humanität, Gerechtigkeit, Mäßigung und Spiritualität/Transzendenz.
Seine sechs Stärken haben erstaunlich viel gemeinsam mit den klassischen vier Kardinaltugenden Iustitia (Gerechtigkeit), Fortitudo (Tapferkeit), Prudentia (Klugheit),  Temperantia (Mäßigung) und den drei theologischen Tugenden: Fides (Glaube), Spes (Hoffnung), Caritas (Liebe).
Sie können nach Seligman durch konsequente Orientierung an Werten und stete Wiederholung von guten Handlungen erworben werden.

Mit einem Dinnerabend am 20. August 2024 im Genusshof Mülsen zu den „Todsünden“ startete erstmals auch ein neues Format. Die Zahl der Teilnehmenden war beschränkt, da man – unterbrochen von einem Drei-Gänge-Menü – teils spielerisch, teils klassisch per Vortrag – sich dem Thema näherte. Nicht alle „Todsünden“ konnten intensiv angesprochen werden. Eine kleine Auswahl wurde ausführlicher besprochen. Die sogenannten Todsünden beschreiben Lebenstriebe, auf die wir alle angewiesen sind. Sie sind gut und nötig. Allerdings bergen diese Triebe auch die Gefahr in sich, uns in einen Abgrund zu ziehen.

So stelle bspw. der Geiz eine Art Lebensverneinung, das Anhäufen toter Dinge dar. Das Haben ist wichtiger als das Leben. Nur wenn der Geizige sich seiner Angst stellt, kann er seinen Geiz lassen, der ihn immer mehr einengt und von den Menschen entfernt. Das Übel des Neids besteht im Sich-Vergleichen und dabei finden, was ich nicht habe. Die Eifersucht hingegen zeigt, dass ich den andern liebe, aber zugleich möchte ich den andern für mich besitzen. Neid kann nur durch Dankbarkeit überwunden werden. Die Unmäßigkeit und Gier verfälscht unser Menschsein, ist herzlos und maßlos. Wäre ich wirklich glücklich, hätte ich all das, was ich haben wollte? Das lateinische Wort für »Begehren« heißt »desiderium«. Es kann auch Sehnsucht bedeuten. Die Gier wird also nur geheilt, wenn sie wieder in Sehnsucht verwandelt wird. Keusch ist ein Mensch, der innerlich klar ist, der ein Gespür hat für das Richtige. Keusch sein heißt klar sein, durchlässig für Gott.

Unkeuschheit meint dann die Unklarheit. Sie trübt unser Denken und Fühlen. Wir sehen uns selbst und die andern nicht mehr klar.

Thomas Wagner

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