Ein eigenartiger König

Es ist schon ein eigenartiger König, den wir da heute feiern und nach Jerusalem begleiten. Vieles unterscheidet ihn von den Mächtigen dieser Welt. Seine Herrschaftssymbole bestehen nicht aus einer großen Staatskarosse, einer goldenen Krone oder einem mächtigen Thron. Seine Herrschaftssymbole sind Esel, Dornenkrone und Kreuz. Grund genug, diese Symbole heute einmal näher zu betrachten, denn sie können uns viel über den Regierungsstil dieses Königs sagen.

 

Auf einem Esel reitet heute unser König Jesus Christus in Jerusalem ein. Doch warum gerade ein Esel, warum nicht ein etwas stattlicheres Tier wie zum Beispiel ein Pferd? Anders als ein Pferd taugt ein Esel nicht zur Kriegsführung. Dafür ist er einfach zu träge und zu langsam. Im Buch Sacharja heißt es deshalb: „Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel“. Dadurch wird deutlich, welche Botschaft dieser König verkündet: Er will nicht mit Waffengewalt Völker unterdrücken, sondern er will die Herzen der Menschen durch die Botschaft_des_Friedens erobern. Kraft unserer Taufe haben wir Anteil an seiner Regentschaft, kraft der Taufe sind wir dazu berufen, am Aufbau seines Königsreiches mitzuarbeiten. Ein erster Schritt dazu ist das Eintreten für den Frieden. Wir müssen dazu keine großen Weltenversöhner sein und brauchen uns auch nicht um einen Friedensnobelpreis bemühen. Frieden stiften kann bedeuten, einen Menschen, mit dem wir in Streit liegen, um Entschuldigung zu bitten; Frieden stiften will heißen, nicht immer auf der Durchsetzung der eigenen Meinung zu beharren; Frieden stiften meint, für das Recht des Schwächeren einzutreten.

Ein zweites kennzeichnet diesen außergewöhnlichen König: Seine Krone ist nicht aus Gold und Edelmetall, sondern aus Dornen; Dornen, die ins Fleisch drücken, Dornen, die Wunden reißen und Blut vergießen lassen. Die Dornenkrone ist ein Symbol des Leidens. Jesus hat sich diese Krone aufs Haupt setzen lassen, um ein weiteres Zeichen seiner Regentschaft zu setzen. Dieser König weiß, was Leiden ist. Er leidet mit seinem Volk, er ist ein König des Mitleids. Die Probleme_dieser_Welt lassen sich nicht auf einen Schlag lösen, aber sie  erfordern vor allem eines: auch unser Mitleid. Betrachten wir doch unsere  ② Welt. Mehr als eine Milliarde Menschen leiden unter Hunger. Immer mehr Länder werden von Autokraten regiert. In der Ukraine und Israel-Palästina sind Kriege ausgebrochen, in anderen Weltgegenden herrschen z.T. seit Jahrzehnten Bürgerkriege oder chaotische Verhältnisse… Probleme, die sich nicht von heute auf morgen beseitigen lassen, Probleme, vor denen wir als Christen aber auch nicht die Augen verschließen dürfen. Unser Mitleid ist gefragt. Beim Mitleid dürfen wir natürlich nicht stehen bleiben, doch unser Mitleid mit den Hungernden und Bedrängten ist ein erster Schritt, um für die Bekämpfung des Hungers und bessere Lebensumstände einzutreten.

Noch ein drittes ist merkwürdig an diesem König. Er setzt sich nicht auf einen kostbaren Thron, sondern lässt sich ans Kreuz nageln. Das Kreuz ist der Regierungssitz dieses Königs, es ist sein Thron. Die beiden gekreuzten Balken sagen viel mehr über seine Macht aus, als es der größte und mächtigste Palast tun könnte. Denn das Kreuz ist das wohl absurdeste Herrschaftssymbol überhaupt. Zum einen steht es für das Leiden und Sterben Jesu. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Stimmen der Kreuzgegner wieder lauter werden, vielleicht liegt das Problem ja darin, dass wir als Christen es versäumt haben, unseren Mitmenschen die ganze Botschaft dieses Symbols näher zu bringen. Denn Leiden und Sterben sind eben nur ein Teil dieses Symbols. Leiden und Sterben treten aber in den Hintergrund durch das alles verändernde Geschehen des Ostertages. Durch seine Auferstehung hat Jesus Christus die vordergründige Botschaft des Kreuzes durchbrochen. Durch seine Auferstehung ist das Kreuz zum Symbol des Heiles und des Lebens geworden. Darum sollten wir allen Kreuzgegnern die volle Botschaft dieses Symbols verkünden. Das Kreuz bietet sich nicht an, um damit Streitereien auszutragen, denn das Kreuz ist vor allem eines: der Thron des Friedenskönigs Jesus Christus.

Esel, Dornenkrone und Kreuz sind die bedeutendsten Machtinsignien des Königs Jesus Christus. Insignien, die uns wichtige Hinweise auf den Regierungsstil dieses Königs geben wollen. Einen Regierungsstil, den auch wir als Christen vertreten sollen. Damit das Reich Gottes nicht Wunschvorstellung bleibt, sondern damit es ein Stück weit auch in unserer Welt schon Wirklichkeit werden kann.

Pater Michael Stutzig SDB